Haushaltsrede 2024
Rede der Grünen Liste Weingarten zum Haushalt 2024, gehalten von Axel Hammen am
26.02.2024
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bänziger, liebe Kolleginnen und Kollegen des
Gemeinderats und der Verwaltung, sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Lassen Sie mich mit einem Dank an meine Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats
beginnen. Wir sind zwar nicht immer einer Meinung, aber die Diskussionen verlaufen immer
fair. Und das ist in den Zeiten mit zunehmendem Populismus, Rassismus und
Rechtsextremismus, die inzwischen unsere Demokratie gefährden, keine Selbstverständlichkeit mehr. Auch bei uns gibt es z.B. Reichsbürger, die unser System und die Demokratie abschaffen wollen, was ja auch die AFD will. Alternativen werden dabei keine geboten. Es ist deshalb auch bei uns sehr wichtig, dass sich möglichst viele Personen dagegen stemmen und sich für die Gemeinschaft engagieren.
Ich darf nach dieser Einführung noch vorwegnehmen: Der Haushalt 2024 steht solide da,
sodass die Grüne Liste Weingarten diesem Haushalt sowie den Wirtschaftsplänen
unserer Eigenbetriebe zustimmen wird. Mittel- bis langfristig warten allerdings große
Aufgaben und Herausforderungen auf die Gemeinde Weingarten. Zum Teil ist noch unklar,
wie diese finanziert werden sollen. Doch dazu komme ich später.
Beginnen wir mit dem Klimaschutz.
Aufgrund anderer Themen und Krisen – wie Corona, Ukraine, Israel, Rechtsextremismus, um
nur einige zu nennen – gerät das Thema Klimaerwärmung aus dem Fokus. Ich bin überzeugt davon, dass es in Zukunft das zentrale Thema sein wird, das unser aller Leben deutlich beeinflussen wird, primär durch Klimaveränderungen und Extremereignisse, sekundär z.B. durch Klimaflüchtlinge, in deren Land das Leben nicht mehr möglich sein wird und die dann z.B. nach Europa und Deutschland flüchten müssen. Jeden Euro, den wir heute in den Klimaschutz investieren, sparen wir doppelt und dreifach in der Zukunft. Oder: Jeden heute gesparten Euro werden unsere Nachfahren teuer bezahlen!
Zur Einordnung: das Jahr 2022 war in Baden-Württemberg um 2,5 °C wärmer als der Zeitraum 1961-1990! Die Wissenschaft warnt immer eindringlicher vor dem Erreichen sogenannter Kippunkte und den Folgen, die wir dann nicht mehr beherrschen können.
Das Interesse in der Öffentlichkeit und in der Politik nimmt aber nicht zu, sondern lässt nach.
Obwohl, da ist die Wissenschaft eindeutig, Maßnahmen zur Emissionsreduzierung immer dringlicher werden und alternativlos sind, wird immer noch verzögert und verschleppt.
Außerdem werden fossile Energien nach wie vor subventioniert. Hitzewellen und Starkregen
betreffen auch Deutschland. Weingarten ist bis jetzt glimpflich davon gekommen, trotzdem
sind die Auswirkungen deutlich sichtbar: durch Hitze und Trockenheit in unserem Wald.
Auch Weingarten muss seine Emissionen dringend reduzieren, wenngleich das nicht von allen
im Gemeinderat, wie z.B. Äußerungen aus der CDU-Fraktion zeigen, als wichtig angesehen wird.
Wir begrüßen es sehr, dass im kommunalen Bereich in den nächsten 4 Jahren 1,9 Mio. € für Photovoltaikanlagen eingeplant sind, davon alleine 457.000 € in 2024. Diese Anlagen tragen
nicht nur zum Umbau zu erneuerbaren Energien bei. Langfristig rentieren sich diese
Investitionen sogar finanziell und entlasten unseren Haushalt in Zukunft signifikant.
Windenergie: Es wäre schön, wenn wir keine Windenergieanlagen (WEA) bei uns bräuchten.
Tatsache ist, dass in Süddeutschland der Ausbau der Windenergie viel zu schleppend voran
geht, obwohl hier viel Energie gebraucht wird. Die Kosten sind deutlich günstiger als für
fossile Energien, deren Folgekosten noch nicht einmal eingerechnet und von der
Allgemeinheit zu tragen sind.
Wahrscheinlich werden bei uns drei WEA außerhalb des Waldes errichtet werden. Allerdings
wird unsere Gemeinde nur wenig davon profitieren! Warum? Vor ein paar Jahren fasste der
Gemeinderat, ohne Not, ohne die naturschutzfachlichen Fakten zu kennen und die finanziellen
Folgen zu erahnen, voreilig mit den Stimmen der CDU, FDP, SPD und dem Bürgermeister,
also damals mit 10:9, den sehr knappen Beschluss, dass im gemeindeeigenen Wald keine
WEA errichtet werden sollen. Die Folge: Die ENBW plante die Standorte so um, dass keine
der drei Anlagen auf Gemeindegrundstücken errichtet werden wird. Und dadurch entgehen
der Gemeinde Pachteinnahmen in mittlerer Millionenhöhe (!), die dringend benötigt werden!
Offen sind jetzt noch zwei Standorte im Wald. Das naturschutzfachliche Gutachten der
ENBW hat ergeben, dass die WEA beider Standorte genehmigungsfähig wären. In
Weingarten müssen wir einen Schulneubau, der 40-50 Mio. € kosten wird, finanzieren und ich
postuliere: Das wird ohne die Einnahmen aus der Windenergie nur sehr schwer, wenn
überhaupt, möglich sein. Speziell die CDU und die FDP schauen immer sehr genau auf die
Finanzen, sind aber bisher gegen die Errichtung der WEA im Wald. Da die Einnahmen für die
Gemeinde durch die Waldstandorte deutlich höher als bei den Freiflächenanlagen sein werden – wir sprechen bei den beiden Standorten von Einnahmen in zweistelliger Millionenhöhe (!) –
ist der Schulneubau mit den beiden Waldstandorten für die Windenergie eng verknüpft.
Gebäudesanierung und Wärmeerzeugung:
Für die Sanierung öffentlicher Gebäude sind im Haushalt bis 2027 0,9 Mio. € eingestellt,
sodass wir im kommunalen Bereich der Klimaneutralität bis 2030 einen großen Schritt näher kommen.
Und dieses Jahr soll dem Gemeinderat für den kommunalen und privaten Bereich ein Energie-
und Wärmeplan vorgestellt werden. Dann weiß jeder z.B. welche Heizung für sein Gebäude
am besten geeignet ist und kann entsprechend planen.
Anpassung an die Folgen der Klimaerwärmung: Trotz aller Bemühungen wird die
Klimaerwärmung fortschreiten und auch bei uns wird es immer heißer werden. Das
Umweltbundesamt hat 2021 veröffentlicht, dass sich unsere Region klimatisch gesehen
bereits bei Lyon befindet und wir in 40 Jahren in Mittelitalien liegen werden, verglichen
natürlich mit den Verhältnissen vor Beginn der Klimaerwärmung! Das alleine ist an sich kein
Problem. Die Herausforderung ist die Geschwindigkeit der Veränderungen, an die sich unsere
Infrastruktur und unsere Ökosysteme anpassen müssen. Ob und wie dies gelingt, ist fraglich.
So wird es unseren Wald in Zukunft, so wie wir ihn kennen, nicht mehr geben, denn im
mediterranen Klima wachsen bekanntlich andere Baumarten.
In diesem Zusammenhang einen kurzen Exkurs zum Forst. Die Anpassung unseres Waldes an
den Klimawandel wird eine große Herausforderung und ein deutliches Zuschussgeschäft sein.
Gut investiertes Geld, denn unser Wald dient uns der Erholung und dämpft zumindest lokal
die Klimaerwärmung. Baumarten, die an die zunehmende Trockenheit angepasst sind,
gehören die Zukunft. Wenn möglich sollte eine Naturverjüngung angestrebt werden, die aber
mit neuen Baumarten kaum möglich sein wird.
Als Anpassungsmaßnahme an extreme Starkniederschläge sollen bis 2027 4,6 Mio. €, davon
1,9 Mio. € an Förderung, in den Hochwasserschutz fließen. Vorausschauend investiertes
Geld, das vor allem dem Oberdorf im Ernstfall helfen wird.
Klimaanpassung steckt ansonsten bei uns erst in den Kinderschuhen und Anpassungsmaßnahmen dauern sehr lange und werden bei uns bisher nicht aktiv angegangen.
Deshalb hatten wir 2022 einen Antrag gestellt, damit dieses Thema auch in Weingarten
berücksichtigt und aktiv angegangen wird. So haben wir uns sehr darüber gefreut, dass in der
AUT-Sitzung vor einer Woche Ideen für innovative Bewässerungssysteme und
Niederschlagswasserbewirtschaftung vorgestellt wurden. Außerdem gehört zum Thema
Hitzevorsorge die Anpassung der Gebäude und Untergründe sowie die Begrünung. Es ist zu
berücksichtigen, dass sich dunkle Oberflächen stärker erwärmen und die zunehmende
Versiegelung zur lokalen Aufheizung und zu verminderter Grundwasserneubildung führt.
Bei der Versiegelung geht es in Weingarten, auch im Hinblick auf die Klimaanpassung, in die
falsche Richtung, was wir als kritisch ansehen. Statt weniger zu versiegeln nimmt die
Versiegelung deutlich zu! Weitere großflächige Versiegelungen sind u.a. für das Sandfeld,
Kirchberg-Mittelweg, Breitwiesen und das alte TSV-Gelände geplant.
Schule: Der Schulneubau auf dem Festplatz wird uns ca. 40-50 Mio. € kosten und mit hohen
Förderquoten kann nicht gerechnet werden. Die Finanzierung ist, wie bereits angedeutet, noch
lange nicht geklärt. Größere Einnahmequellen sind nicht einfach aufzutreiben. Und immer
neue Baugebiete sind keine Lösung. Beim Schulbau ist es jetzt wichtig, dass es nach
jahrelangem Stillstand voran geht. Mittelfristig sind im Haushalt 15 Mio. € eingeplant, doch
das ist erst der Anfang.
Wichtig ist uns eine ökologische, nachhaltige und klimaneutrale Bauweise mit
nachwachsenden Rohstoffen. Die Schule muss so gestaltet werden, dass sich Schüler und
Lehrerschaft wohl fühlen, denn sie werden sich einen großen Teil des Tages dort aufhalten.
Das bisher triste Umfeld mit vier umgebenden, z.T. stark befahrenen Straßen muss
umgestaltet werden, sodass keine Kaserne entsteht. Konzepte für den Schulweg müssen
entwickelt werden, damit dem – auf Grund der Lage – zu befürchtenden Elterntaxi-Verkehr
entgegengewirkt wird. Eine weitere Verödung des Ortszentrums wird wahrscheinlich nicht zu
verhindern sein, denn einige Geschäfte werden den Umzug aufgrund von Umsatzeinbußen
nicht überleben. Und wichtig ist es auch jetzt schon, dass wir uns Gedanken um die
Folgenutzung des alten Standortes machen. Die Grüne Liste beschäftigt sich bereits mit diesem Thema.
Mobilität:
Wir befinden uns noch am Anfang des Mobilitätskonzeptes. Hauptsächlich geht es momentan
um die Parkplatzkonzeption in den verschiedenen Quartieren. Dabei soll der öffentliche
Parkraum gemäß Straßenverkehrsordnung so geordnet werden, dass die Rettungswege
gewährleistet werden und die momentane Benachteiligung schwächerer Verkehrsteilnehmer
(Fußgänger, Fahrradfahrer, Kinder) beendet wird. Hierzu ist eine möglichst schnelle
Markierung aller Parkplätze notwendig. Dass es bei dem Schutz schwächerer
Verkehrsteilnehmer in Weingarten noch einiges zu tun gibt, erkennen wir z.B. auch am
Baustellenmanagement der Gemeinde. Hier liegt der Fokus auf dem Autoverkehr und der
Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer wird nachrangig behandelt, was wir im letzten Jahr
öfters angesprochen haben.
Gerne würden wir auch den 2. Teil des Mobilitätskonzeptes angehen, wo es um den ÖPNV,
Straßenverkehr und alternative Mobilitätskonzepte gehen wird.
ÖPNV: Weingarten ist auf Grund der z.T. mangelhaften Taktung und Anbindung momentan
nach außen schlecht angeschlossen. Für die Verbesserung des ÖPNV innerorts haben wir
letztes Jahr einen Antrag eingebracht, wo wir uns u.a. für eine Verbindung in der zentralen
Bahnhofsstr. und für eine Taktverdichtung gerade am Wochenende – hier gab es 3 h Pause
zwischen den Verbindungen – eingesetzt haben. Erfreut haben wir festgestellt, dass sich der
ÖPNV innerorts mit dem letzten Fahrplanwechsel deutlich verbessert hat! Samstags gibt es
jetzt stündliche Verbindungen und am Sonntag sowie am Abend steht der Service MyShuttle
zur Verfügung, der auf Abruf und bei Bedarf nutzbar ist. Leider kann dieser Dienst aber nur
mit einer Smartphone-App benutzt werden, was nicht jeder hat. Und auch die Infos zu diesem
Service sind schwer zu finden, sodass er nur für Kenner nutzbar ist.
Kindergärten: Weingarten investiert weiterhin erhebliche Summen in die Kindergärten, damit
der Anspruch auf Betreuung erfüllt werden kann. So stehen dieses Jahr ca. 850.000 € (bei
82.500 € Förderung) im Haushaltsplan und bis 2027 sollen ca. 6,4 Mio. € (bei 1,6 Mio. €
Förderung), investiert werden. Für uns ist dies gut investiertes Geld.
Im Jahr 2024 sind in Weingarten insgesamt hohe Investitionen von ca. 15 Mio. € geplant, und
das bei einem Gesamthaushalt von ca. 50 Mio. €, was eine Quote von ca. 30 % ergibt, die wir
uns momentan noch leisten können und die gut investiertes Geld in unsere Zukunft sind.
Wir setzen uns außerdem für die Beteiligung der Jugend und der älteren Bevölkerung ein, was
für uns in der Vergangenheit und zukünftig selbstverständlich ist. So ist z.B. die
Jugendbeteiligung kein wäre schön wenn, sondern ein muss!
Wie in vielen Bereichen ist auch für Weingarten die angespannte Personalsituation eine
zunehmende Herausforderung. Denn ohne gutes, ausreichendes und motiviertes Personal
können die vielen geplanten Projekte nicht durchgeführt werden.
Und damit komme ich zum Ende meiner Haushaltsrede. Wir danken allen ehrenamtlich
tätigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern für Ihre Zeit und Ihr Engagement. Ohne Sie / ohne
Euch wäre unsere Gemeinde und unsere demokratische Gesellschaft nicht das, was sie ist!
Ein großes Dankeschön und Lob geht von uns an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Verwaltung und des Bauhofs, an die Rettungsdienste und auch an die Vereine. Was hier jeden
Tag geleistet wird, ist enorm.
Wie bereits zu Anfang erwähnt: Die Grüne Liste Weingarten stimmt dem Haushaltsplan 2024
und den Wirtschaftsplänen unserer Eigenbetriebe zu.